Natürlich hat er nicht still und leise die Bühne verlassen. Das hätte seinem
habitus und seinem Naturell auch nicht entsprochen. Er tritt ab, wie er sich immer gab: polternd, lautstark und auf einem schmalen Grat zwischen Fiktion und Realität.
Die im Großen und Ganzen unspektakuläre Pressemitteilung, die
Uwe Wiesinger als Reaktion auf die vom Verein verkündete Kündigung des Beratervertrages zum 30.4.2008 an die üblichen Verdächtigen versandte, liegt auch mir vor. Im Gegensatz zu den anderen Medien möchte ich den Lesern von
Jesses, Jeff! einige Passagen nicht vorenthalten. Sie machen nämlich meiner Meinung nach nicht nur deutlich, wie
die Wiesinger´schen Verträge der letzten 17 Jahre ausgesehen haben müssen, sondern entlarven die ganze Bannbreite der Wiesinger´schen Denke, seinen "Charakter" von A bis Z. Daher habe ich mich dazu entschlossen, davon abzusehen, die Worte des "großen Fisch im kleinen Teich" (Steffen Gerth heute in der
FAZ) zu kürzen, zusammen zu fassen oder gar zu korrigieren.
Hier gibt es Uwe pur. Ungeschminkt. Umständlich. Und verschachtelt.
1. Uwe zu der
Auflösungsvereinbarung:
"Dieses Angebot allerdings bestand auch vor der Kündigung durch den Vereins, der Verwaltungsratsvorsitzende des Vereins und neben Oberbürgermeister Hoffmann Mit-Motor des Neubeginns, Alfred Krämer (Vorstandvorsitzender WELLA und Hauptsponsor des Vereins), hatte sich 24 Stunden vor der JHV nach 4 intensiven Terminen bei der WELLA und Austausch von schriftlichen Entwürfen mit mir auf den Vorschlag einer Auflösungsvereinbarung geeinigt, allerdings lehnte das dann neu gewählte Präsidium als Entscheidungsträger dieses Ergebnis offenbar ab, hatte allerings keinen weiteren geänderten Vorschlag vorgelegt."
Hierzu
sagt Präsident Hans Kessler in der
FR:
"Dazu konnte es auch gar nicht kommen", erklärte Hans Kessler, Präsident von Darmstadt 98, "da Herr Wiesinger zu keinem Gespräch bereit war". Er habe ihn zweimal telefonisch und einmal schriftlich um Verhandlungen gebeten, so Kessler, ohne dass Wiesinger darauf geantwortet hätte.
Interessant dürften auch die Verhandlungskünste des Wiesinger-Spezl Alfred Krämer sein, wenn das Präsidium dessen Einigung mit Wiesinger nicht mittragen wollte.
2. Uwe zu
neue Sponsoren:
"Die Wege trennen sich nach etwas mehr als 17 Jahren. Ich hoffe nur dass nun alle die Sponsoren zum SV 98 kommen, die seither angeblich wegen meiner Person sich zurückhielten. Allerdings hätte man sich auch dann früher melden können, aber vielleicht hatte man ja Bedenken, ich würde Ernst machen mit meinem immer gegebenen Angebot des Rückzugs bei entsprechenden Entwicklungen und man hätte sich tatsächlich finanziell angagieren müssen."
3. Uwe zur
Bilanz seiner Arbeit als Sportlicher Leiter:
"Die Tatsache, auch als Mitverantwortlicher im Sport bis zur Saison 2001/2002 den Verein nach dem im Grunde zwangsläufigen Abstieg 1992/1993 aus der 2. Liga immer an der Schnittstelle zum Profifußball gehalten zu haben - der Verein wurde im gesicherten Mittelfeld der RegL und mit dem besten Pokal-Ergebnis der Vereinsgeschichte, der 3. DFB-Pokalhauptrunde unter Trainer Michael Feichtenbeiner übergeben - ist ein sportlich positives Fazit in Anbetracht der nach dieser Zeit eingesetzten finanziellen Mittel und der aktuell negativen Entwicklungen mit 2 Abstiegen seit 2002/2003."
Gut, der übliche Seitenhieb auf Thomas Schmit und Bruno Labbadia, könnte man sagen.
Der "gesicherte Mittelfeldplatz", von dem der Ex-Berater spricht, war der 14. Platz, welcher damals der erste Nichtabstiegsplatz war.
Seine Bilanz "an der Schnittstelle zum Profifußball" waren die Plätze 13 (96/97), 16 und damit Abstieg (97/98), Oberliga (98/99), 9 (99/00), 5 (00/01) und wie gesagt 14 (01/02).
4. Uwe zur
Bilanz seiner Arbeit als Berater des Präsidiums:
"Der von mir vollkommen außerhalb des Sports seit Anfang 2002 zu verantwortete Bereich, ob dies u.a. über 17 Jahre die Qualität der Lizenzierungen ohne Zittern und ohne Bedingungen, ob dies in der Szene anerkannte mehrere absolut attraktive Transfers betrifft oder nicht zuletzt die Tatsache, das seit nunmehr 17 Jahren seit 1990 kein Spieler jemals auch nur einen Tag hat auf sein Gehalt warten müssen bis hin der Fortsetzung der guten Tradition durch Dr. Engelbrecht beste Beziehungen zum HFV und DFB mit entsprechendem Einfluss, allerdings haben diese Erfolge in Korrespondenz zum Sport nicht gereicht."
Endlich! Da sind sie, die "Lizenzierungen", die ohne "Bedingungen" über die Bühne gingen und die pünktlichen Gehaltszahlungen.
Das war also das Arbeitsfeld eines Beraters des Präsidiums. Man fragt sich wirklich, wie die restlichen Vereine im Einzugsgebiet des DFB das jedes Jahr wieder hinbekommen. So ohne Uwe. Und ob der SV 98 vom "entsprechenden Einfluss" seines langjährigen Strippenziehers mehr profitiert hat, als der Strippenzieher durch den Name SV Darmstadt 98 und seine dortigen bezahlten Posten, sei offen gelassen und der Phantasie der Leser überlassen.
5. Uwe zu seiner
Zukunft:
"Ich selbst werde - auch wenn nach etwas Durchschnaufen der Fußball mir welche Trikotfarbe oder was auch immer in der Zukunft für neue reizvolle Herausforderungen bringen wird - immer eine Lilie bleiben, den ich bin hier bei den Lilien zuhause."
Mir kommen die Tränen.
Ein interessanter, gleichwohl zum Scheitern verurteilter Versuch, Mitleid und Sympathie zu erhaschen, indem sich der ehemals mächtigste Mann des SV 98 versucht, mit dem einfachen Fan und Mitglied gemein zu machen. Wer dennoch in Versuchung kommt, hierauf hereinzufallen, dem sei noch eine weitere Passage ans Herz gelegt, in der er erklärt, dass das Verhalten des neuen Präsidiums ihm gegenüber bezüglich der Auflösungsvereinbarung nicht sehr glücklich gewesen sei, "wenn man Minimierungen für den Verein hätte erreichen wollen."
Derjenige, der "immer eine Lilie" bleiben will, der angeblich "hier bei den Lilien zuhause" ist, hofft auf maximalen Profit durch den goldenen Handschlag zum Nachteil der Lilien?
Schizophren.
/// gehört wird: BABYSHAMBLES, You Talk ///
Achtundneunzig - 30. Okt, 21:48