Diese Woche bin ich mal dem mehr als grauen Alltag eines
FC Bayern der Oberliga mittelmäßigen
und finanziell am Boden liegenden Oberligisten entflohen in den Glamour des Westen
Londons. Die Nationalelf gab ihr Stelldichein im neuen
Wembley und wenn ich schon die
EM 1996 (wohl altersbedingt?) verpasst habe, was mich immer noch wahnsinnig ärgert, so wollte ich wenigstens dieses Mal im angeblichen Mutterland des Fußballs dabei sein. Die Mär, dass Engeland das Mutterland des Fußballs sei, widerlegte der
guide im
Scottish Museum of Football bereits im Jahr 2002 - den meisten Journalisten scheint eine weitergehende Recherche indes nicht angebracht.
Im englischen Nationalstadion, vollständig neu hergestellt an historischer Stelle, konnte mal wieder die in Britannien schon länger verwirklichte Endstufe dessen betrachtet werden, was die Verbände sich unter dem Prototyp des Stadionbesuchers vorstellen: Sämtliche Speisen und Getränke mussten im Bauch des Stadions verzehrt werden und durfte nicht etwa zum Platz genommen werden - wo käme man da auch hin? Ein striktes Rauchverbot, und zwar im kompletten Stadionbereich, nicht nur am Platz, garnierte die Begleitumstände in Orwells Heimatland. Einlasskontrollen fanden demgegenüber konsequenterweise gar nicht statt.
Erfreulicher war da schon das Auftreten sowohl der Löw´schen Elf als auch der deutschen Schlachtenbummler. Für den sportlichen Teil sind die Schreiberlinge des Sports zuständig, ich reduziere mich daher auf den deutschen Block, welcher zu weiten Teilen des Spiels außer Rand und Band schien. Entgegen mancher
Horror-Geschichten und Befürchtungen rottete sich hier auch keineswegs ein in nationalsozialisitischen Größenwahnfantasien schwelgender, dumpfer Mob zusammen, sondern sangesfreudige Fußballfreunde aus allen Teilen der Republik. Und wenn dann einer wirklich mal meinte, bei der Nationalhymmne den rechten Arm heben zu müssen, so wurde ihm auf Darmstädter
und Düsseldorfer Art mitgeteilt, dass er das zu unterbleiben habe - woraufhin das
response team herbeieilte und die betreffende Person schon vor dem Spiel nicht mehr gesehen ward.
Auch das zum Besten gegebene Liedgut beschränkte sich mitnichten auf den obligatorischen
"Deutsch-laaaand, Deutsch-laaaand"-Singsang, sondern umfasste schätzungsweise ein Dutzend Lieder, wobei sich die
songs, welche sich mit dem Sieger des letzten Spiels im alten Wembley und dem Sieger des ersten Spiels im neuen Wembley beschäftigten sowie mit der Tatsache, dass die Fans von der Insel offensichtlich nur zu singen gedenken, wenn sie gewinnen, als die diesmal beliebtesten Gassenhauer herausstellten. Außerdem wurde des Öfteren festgestellt, dass die
tommys einen anderen Laufstil bevorzugen als die
germans (ich bediene mich bewusst nicht den Vokabeln
krauts oder
frits, wie es die deutsche Presse so gerne tut, um ein nicht vorhandenes Insiderwissen vorzugaukeln) - ähnlich im Übrigen den Kasselern..
Abgerundet wurden die Reise durch den Auftritt von Teammanager
Oliver Tränensack Bierhoff am nächsten Morgen, der genau wie die Spieler Helmes, Kießling, Schneider, Rolfes, Castro und Lahm mit uns am Flughafen Heathrow auf ihren Flug warteten. Ich denke, ich treffe deren Gefühlslage hinsichtlich unserer Begegnung am frühen Morgen relativ genau, wenn ich heirbei von den Schattenseiten des Profitums spreche.
/// gehört wird: KETTCAR, Money Left to Burn ///
Achtundneunzig - 24. Aug, 11:11